Unsere nächste Trampstrecke führt uns 500 km quer durch California nach Nevada und zurück. Von Redding über Reno zum Sonora-Pass in den High-Sierra-Mountains. Wir veranschlagen dafür zwei Tage. Hier unsere Trampchronik.
Auto 1: Die komplette Raiderrunde wird von Russell ins Auto gepackt. Er bringt uns 50 km aus der Großstadt raus bis zur Stelle, wo Highway 44 zweispurig wird. Von hier sollte es in 2er-Gruppen gut weitergehen.
Auto 2: Hunter hält. Waldarbeiter, Patriot und Waffenfan. Er kommt von der Arbeit und fährt 5 km in unsere Richtung. Weil er Zeit hat, nimmt er uns mit nach Hause, wechselt Firmenpickup gegen Privatauto und bringt uns nochmals 50 km weiter.
Mit Auto 3 geht es bis kurz vor Reno. Hm. Vor einer Großstadt aussteigen ist immer ungut. Unser Fahrer versteht das und bringt uns auf die andere Seite der Stadt. Gott-sei-Dank verpasst er den entsprechenden Exit und muss uns notgedrungen weitere 10 km mitnehmen. Doch jetzt ist Schluss. Er stoppt an der Auffahrt, wo bereits ein anderes Auto wartet. Eine Frau springt raus. „I expected you.“ Wir sind irritiert. Nein, wir wollen keine antiken Sessel kaufen. Eine Verwechslung. Sie hatte den Exit als Treffpunkt mit einem Ebay-Käufer vereinbart. Macht nichts…. aber könnte sie uns vielleicht Richtung Süden mitnehmen? Großes Gelächter. Natürlich kann sie. Eine Minute später ist der richtige Käufer da, zwei Minuten später sind die Sessel verkauft, drei Minuten später sitzen wir bei ihr im Jeep: Auto 4.
„That’s divine providence“ wiederholt sie immer wieder. Als aktive Freikirchlerin ist sie überzeugt, dass Gott unsere Wege zusammengeführt hat. Sie ist ganz happy, wie glatt sich der Autowechsel gefügt hat (wir auch!) und sie uns mitnehmen darf. Drum bringt sie uns doppelt so weit wie geplant. Zum Abschied steckt sie uns 50 Dollar in die Tasche: „Have a good time.“ We have!
Diesmal stehen wir an einer Tankstelle und halten den Daumen raus. „Where do you want to go?“ fragt ein Mann, der hier geparkt hat. Auf Googlemaps seines Handys zeigen wir ihm den Sonora-Pass. Es sind noch 1 ½ Stunden Autofahrt bis zum Talort des Passes. „Ok, come in. My name is Angel.“ In Auto 5 hören wir seine Geschichte: Angel war bislang nur oberflächlich gläubig, doch hat sich vor Kurzem bekehrt. „We must look at our lives always from a heavenly perspective,“ so seine neue Einsicht. „The only thing that matters is Heaven and Hell.“ Er wollte gerade vom Highway abbiegen und nach Hause fahren, als er uns an der Tankstelle sah. Da habe ihm eine innere Stimme gesagt: „You have to help these lost guys.“ Wirklich? Er war sich unsicher. „Wenn mir jetzt eine Minute lang kein Auto entgegenkommt, dreh ich um und bring sie zu ihrem Ziel.“ … Es kam kein Auto. Allein das ist für Highway 395 ein Wunder. Die ganze Fahrt lang diskutieren wir religiöse und theologische Fragen. Auf seinen linken Unterarm hat er in riesiger Schrift seine Lieblingsverse der Bibel tätowiert – auf Altgriechisch: Νυνὶ δὲ μένει πίστις, ἐλπίς, ἀγάπη, τὰ τρία ταῦτα· μείζων δὲ τούτων ἡ ἀγάπη. (1 Kor 13,13) Als wir aussteigen, stehen wir zu dritt im Kreis und beten gemeinsam und füreinander. Mit Angel war uns ein wirklicher angel begegnet.
Noch während wir uns verabschieden, hält schon das nächste Auto (Nr. 6). Eigentlich wollten wir am Fuß des Passes übernachten, aber wenn sich uns jemand aufdrängt, sagen wir nicht nein. Es ist Daniel, 24 Jahre, von der US-Spezialeinheit der Marines und gerade auf dem Rückweg zur Truppe, die auf halber Höhe des Passes im Training liegt. Er will uns ganz rauf bringen. Unterwegs erfahren wir, dass er sich seit drei Jahren bemüht, seinen christlichen Glauben konsequent zu leben. „It looks so simple, but is actually quite complicated.“ Vor allem beim Militär, wo er mit seiner Einstellung ganz allein ist. Seine protestantische Gemeinde hat er verlassen („it was too shallow“), derzeit besucht er eine orthodoxe Kirche, deren Liturgie ihn fasziniert. Wir diskutieren über divine apotheose, apocatastasis und die importance of a spiritual advisor… bis der Tank leer ist! Aber zurück zum Militärcamp nach unten rollt der Wagen von allein. Wir dagegen sind am Ziel. Statt zwei Tage nur zehn Stunden. Jedes (!) Auto hat für uns eine Zusatzetappe eingelegt… Wir lieben das Fahrtenleben!